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Während mein Mann Christian und ich, Steffi, unseren Familienurlaub in der Normandie vorbereitet haben, war eine Sehenswürdigkeit bereits von Beginn an auf unserer Liste. Wir wollten unbedingt mit unseren Kindern den Mont Saint-Michel besuchen. Der Mont Saint-Michel ist die größte Sehenswürdigkeit Frankreichs außerhalb Paris. Um dem Trubel auf dem Klosterberg zu entgehen, haben wir uns deshalb nach einer Alternative umgesehen. Nach kurzer Recherche war klar: Wir werden mit unseren Kindern Lukas (10) und Anna (8) zum Mont Saint-Michel wattwandern und die Bucht mit den stärksten Gezeiten Europas zu Fuß erkunden. 

Eine Wattwanderung zum Mont Saint-Michel

Es ist 10 Uhr morgens an einem leicht windigen, aber dennoch schönen Sommermorgen. Gemeinsam mit den Kindern stehen wir vor einer großen Informationstafel des Parkplatzes am Bec d’Andaine in der Bucht des Mont Saint-Michel. „Was bedeuten diese Zeichen?“, fragt Anna, und zeigt auf eines der vielen Warnschilder. „Wenn man in der Bucht des Mont Saint-Michel wattwandern geht, muss man einiges beachten“, sagt Christian zu ihr. „Das stimmt“, sagt plötzlich eine Stimme hinter ihm. Wir drehen uns um und blicken in das freundlich lächelnde Gesicht von François, unserem Wattwanderführer. François erklärt uns, dass man auf keinen Fall in der Bucht des Mont Saint-Michel wattwandern darf, wenn ein Unwetter angekündigt wird oder die Sichtverhältnisse schlecht sind. Auch muss man immer die Gezeiten im Blick haben. Denn in der Bucht des Mont Saint-Michel kommt die Flut „wie ein Pferd im Galopp“. Hier herrschen 14 Meter Tidenhub, das sind die stärksten Gezeiten Europas.

Das Wetter heute ist gut, die Sicht klar und bis zur nächsten Flut dauert es noch. Wir sind bereit und laufen in Richtung der Holzplanken, die zum Strand und in Richtung Mont Saint-Michel führen. „Einen Moment noch!“, ruft François, „lasst eure Gummistiefel bitte im Auto, die brauchen wir im Watt nicht. Und krempelt eure Hosenbeine mindestens bis zu den Knien hoch!“. Wir schauen uns erstaunt an. „Ihr werdet schon sehen, Wattwandern in der Bucht des Mont Saint-Michel ist etwas ganz Besonderes!“, sagt François und grinst verschmitzt.

Treibsand und ein bezauberndes Küstenpanorama

Barfuß, mit hochgekrempelten Hosenbeinen und leuchtenden Augen laufen wir in Richtung Strand, über die Düne und…sehen den magischen Mont Saint-Michel groß am Horizont! „Wow!“, entfährt es Lukas. Anna macht große Augen und auch Christian und ich sind beeindruckt. Der Mont Saint-Michel scheint von hier aus zum Greifen nah. Und dennoch werden wir erst 3 Stunden später, nach 7 Kilometern Abenteuer-Wattwandern am Mont Saint-Michel angekommen sein.

„Los geht’s“, winkt François, und wir folgen nur zu gerne. François bittet uns, immer in seiner Spur zu laufen, denn in der Bucht des Mont Saint-Michel gibt es Treibsand. Mit François an unserer Seite fühlen wir uns sicher und können die grandiose Aussicht genießen. Vor uns liegt der schier endlose Horizont und die Silhouette des Mont Saint-Michel. Der kühle Sand kitzelt zwischen den Zehen und das Wasser streicht sanft über unsere Füße, während Anna und Lukas in Pfützen springen und laut kichern.

An einer Stelle hält François an und erklärt, dass er uns hier gut den tückischen Treibsand zeigen könne. Er geht ein paar Meter von uns weg und hüpft auf dem Sand auf und ab – als dieser plötzlich anfängt, sich wie Pudding unter ihm zu bewegen. Langsam sinkt unser Wattwanderführer ein und steckt bald bis zu den Knien im Sand! Jetzt ist uns auch klar, wieso kurze Hosen in der Bucht des Mont Saint-Michel angebracht sind.

„Der Trick ist, seine Körperoberfläche ganz breit zu machen, und sich Stück für Stück wieder aus dem Sand zu befreien“, erklärt François. Gesagt, getan: Nach ein paar Vor- und Rückbewegungen mit dem ganzen Körper kommt François langsam wieder aus dem Sand. Was bei unserem Wattwanderführer so leicht aussieht, ist ganz schön knifflig. Für ungeübte Wattwanderer kann es leicht gefährlich werden – deshalb betont François, dass man Wattwandern in der Bucht des Mont Saint-Michel nur in Begleitung eines ausgebildeten Wattwanderführers unternehmen soll.

Die kleine Nachbarinsel Tombelaine und die erste Flutwelle

Wir laufen noch ein Stückchen weiter durchs Watt, immer in Richtung Mont Saint-Michel. Plötzlich taucht vor uns ein langgezogenes Flussbett auf. „Da müssen wir durch“, sagt François ganz selbstverständlich, „denn die Flüsse Sée und Sélune fließen immer in die Bucht, egal, ob bei Ebbe oder Flut“. Also nimmt Christian Anna auf die Schultern, ich nehme Lukas‘ Hand, und los geht’s. Das Wasser ist kühl und kristallklar, und wir waten durch den weichen Sand. Lukas findet es klasse und auch ich muss sagen, mit einer klassischen Wattwanderung hat dieses echt normannische Erlebnis wenig zu tun. Auf der anderen Seite angekommen liegt vor uns Tombelaine, die kleine Nachbarinsel des Mont Saint-Michel. Die Insel ist heute ein Vogelschutzgebiet und für Besucher nicht zugänglich. Mit den Ferngläsern von François verfolgen wir den Flug der Silbermöwen und kommen so doch ganz nah an die Insel heran. 

Ab jetzt geht es gerade aus auf den Mont Saint-Michel zu, der immer größer und größer wird und am Ende unserer Wattwanderung majestätisch vor uns in den Himmel ragt. Wie die mittelalterlichen Baumeister es geschafft haben, das Kloster Etage um Etage Richtung Himmel zu bauen, ist uns ein Rätsel und ein echtes Wunder. Wir fühlen uns ein bisschen wie die Pilger des Mittelalters, die nur auf dem Weg durch das Watt den Mont Saint-Michel erreichen konnten. Am Mont Saint-Michel angekommen, waschen wir uns die Füße und verabschieden uns von François. Wir bleiben noch einen Moment und beobachten von der Stegbrücke aus, wie die Flut langsam an Fahrt gewinnt. Die erste große Welle nennt man „Le Mascaret“, ihr folgt das Wasser in einer beeindruckenden Geschwindigkeit. Wo wir eben noch gelaufen sind, glitzert nun tiefblaues Wasser.

Praktische Informationen für eine Wattwanderung in der Bucht des Mont Saint-Michel

Wir hatten viel Spaß bei der deutschsprachig geführten Wattwanderung mit François Lamotte d’Argy und raten jedem dazu, dieses normannische Erlebnis in der wilden Bucht des Mont Saint-Michels auszuprobieren. Eine Wattwanderung (einfache Strecke) dauert circa 3 Stunden. Mit größeren Kindern bietet es sich an, auch wieder zurückzulaufen, dann dauert der Ausflug circa 6 Stunden.

Unsere Checkliste für die Wattwanderung zum Mont Saint-Michel

  • Eine Kopfbedeckung als Sonnenschutz
  • Sonnenbrille
  • Sonnencreme
  • Windjacke
  • kurze Hosen
  • Getränke & Snacks

Die Wattwanderung wird barfuß unternommen, Gummistiefel sind nicht notwendig. Die Bucht des Mont Saint-Michel ist ein sensibles Ökosystem, deshalb ist es natürlich klar, dass wir unseren Müll wieder mitnehmen und am Festland entsorgen und uns auch sonst respektvoll gegenüber der Natur verhalten.

Unser Tipp für den Hunger danach

Im Anschluss an unsere Wattwanderung haben wir im Restaurant La Grange de Tom gegessen. Auch hier immer mit dabei: der Blick auf den Mont Saint-Michel.

La Grange de Tom
40, route des Falaises
50530 Champeaux
Tel.: 0033(0)2 33 61 85 52

Gezeiten am Mont Saint-Michel

Gezeiten am Mont Saint-Michel