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Der dritte Artikel von Guido Knopp, „Der Fallschirmjäger auf dem Kirchendach“, nimmt Sie mit in das reizende Dorf Sainte-Mère-Église in der Nähe von Utah Beach. Guido Knopp beschreibt darin die Nacht des 5. Juni 1944, als der amerikanische Fallschirmspringer John Steele stundenlang auf dem Dach der Kirche hängenblieb. Heute zieht es viele Interessierte in das schöne normannische Dorf nahe der Küste, dessen Kirchturm noch immer vom Ereignis zeugt und spätestens durch die Darstellung im Film „Der längste Tag“ Berühmtheit erlangte.

Sainte-Mère-Église und der Kirchturm

Sainte-Mère-Église ist ein hübsches Örtchen in der Normandie, am Anfang der Halbinsel Cotentin. Es hat nur etwa 1.600 Einwohner, doch gefühlt sind es weit mehr. Nicht nur im Sommer ist das Städtchen attraktives Ziel für Tausende von Touristen – es sind oft Besucher, die aus einem ganz besonderen Grund in das Dorf reisen: Weil der Mantel der Geschichte dieses Städtchen einmal ziemlich stark gestreift hat.

Es geschah in der Nacht vom 5. auf den 6. Juni 1944. Da sprangen Fallschirmjäger der 82. US-Luftlandedivision bei Sainte-Mère-Église ab, um die Invasion der Alliierten schon im Hinterland der Küste abzusichern. Einige aber landeten mitten im Ort – unter anderem auf dem Dach der Kirche, die infolge eines Luftangriffes gerade brannte. Einer von ihnen war der Soldat John Steele. Er verfing sich mit seinem Fallschirm auf dem Kirchendach – und blieb dort hängen, stundenlang.

Natürlich schossen die deutschen Verteidiger auf die Fallschirmjäger – auch auf Steele, der sich daraufhin tot stellte. Als ein deutscher Soldat ihn auf der Suche nach Schokolade und Zigaretten losschnitt und bemerkte, dass der „Ami“ noch lebte, nahm er ihn gefangen. Steele aber konnte fliehen und schloss sich wieder seiner Einheit an.

Filmische Interpretation

Soweit, so gut. Berühmt wurde der „Fall Steele“ so richtig erst durch den Film „Der längste Tag“, der die Ereignisse aus dieser Nacht rekonstruierte – in einer etwas freien Interpretation, aber sei’s drum. Seitdem ist Sainte-Mère-Église gleichsam weltberühmt – und der Ort tut alles, um die Erinnerung an diesen Fallschirmabsprung wachzuhalten: Auf dem Dach der Kirche hängt eine uniformierte Fallschirmjägerpuppe, zwar nicht mit einem grünen, sondern weißen Fallschirm, denn den sieht man besser; und nicht originalgetreu auf der Rückseite der Kirche, sondern Richtung Kirchplatz, wo die meisten Leute sind. Aber niemanden stört’s.

D-Day Saint-Mère-Eglise
D-Day in Saint-Mère-Eglise © Danielle Dumas

Und so ist Sainte-Mère-Église heute ein wahres Fallschirmjäger-Memorial. Eine kuschlige Auberge ist nach John Steele benannt. In der (übrigens sehr schönen) Kirche findet sich ein Fenster mit drei knienden Fallschirmjägern zu Füßen der Madonna, in den Geschäften gibt es Fallschirmjäger-Schirme, Fallschirmjäger-Kuchen und natürlich Fallschirmjäger-Calvados. Und wem das noch nicht reicht, der geht noch rüber in Airborne Museum, das sinnigerweise den Namen „Dead Mans Corner“ trägt.

Unter all den Tausenden, die nach Sainte-Mère-Église strömen, sind nicht zuletzt auch die Nachkommen der Soldaten, die einst hier landeten. Und bis vor wenigen Jahren sprangen bei den runden Jahrestagen rüstige Veteranen immer noch mal gerne mit dem Fallschirm ab – im Umland, nicht schon wieder auf den Kirchturm.

Jahrzehntelang gab sich ein amerikanischer Tourist bei all den Festlichkeiten als John Steele aus und profitierte von der Dankbarkeit der äußerst netten Menschen von Sainte-Mère-Église. Das Bubenstück flog erst im Jahr 2009 auf. Aber sei’s drum: Die Magie der Fallschirm-Nacht und die Erinnerung daran kann das nicht trüben. Darauf einen Calvados!

Normandie – Region der Freiheit

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Der längste Tag

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Erinnerungen an die Normandie

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