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Die ganze wilde Schönheit der Normandie zu entdecken ist in einer Woche schier unmöglich. Zu vielfältig sind die Möglichkeiten, zu kurz die Zeit. Wir haben es trotzdem versucht und sind mit unseren Kindern (9 Jahre & 2x 6 Jahre) in die Region Calvados gereist. Zurück kamen wir mit unvergesslichen Erlebnissen und den besten Tipps für Familienurlaub für „Normandie-Anfänger“ im Gepäck.

Tag 1: Must-see der Normandie: die Kreidefelsen von Étretat

„Lass uns doch auf dem Weg zum Ferienhaus noch einen Abstecher nach Étretat machen“ schlage ich meinem Mann vor, als wir der Grenze zur Normandie näherkommen. Unser Check-in im bildhübschen normannischen Ferienhaus (Naturhäuschen.de : Urlaub im normannischen Ferienhaus abseits des Massentourismus – Familie Motte – Ein Reiseblog für Familien) ist erst für 17.00 Uhr avisiert und wir haben noch etwas Zeit. Gesagt, getan.
Die mächtigen Kreidefelsen von Étretat sind unbestritten eines der absoluten Normandie-Highlights. Leider hat sich das mittlerweile herumgesprochen, weshalb wir an einem Samstagnachmittag natürlich nicht die einzigen Besucher sind. Allein für die Parkplatzsuche brauchen wir geschlagene 40 Minuten. Aber die Mühe lohnt. Die Küste ist – trotz dicker Wolken am Himmel – bildschön und der Blick von den Felsen atemberaubend. Der Abstecher war trotz Andrang eine sehr gute Entscheidung!

Unser Tipp für den nächsten Familienurlaub: Wir wollen unbedingt noch mal – mit mehr Zeit – wiederkommen. Allerdings würden wir die Hauptsaison meiden und auf einen Wochentag ausweichen um den allergrößten Menschenmassen zu entgehen. Außerdem gibt es an der Alabasterküste einige weitere Orte, die mindestens genauso schön sind, aber eher als Geheimtipp gehandelt werden. Fécamp, Dieppe, Varengeville, Veules-les-Roses haben wir uns für den nächsten Besuch ganz nach oben auf die Liste gesetzt.

Kreidefelsen von Fécamp
Kreidefelsen von Fécamp © Patrice LE BRIS

Tag 2: Ein Tag im Mittelalter auf dem Château de Crèvecœur

Nach einer erholsamen ersten Nacht und einem ausgiebigen Frühstück mit buttrigen Croissants und frischem Baguette starten wir mit unserer Entdeckungsreise durch die Region. Ca. 30 Kilometer von unserer Unterkunft findet ein kunterbuntes Mittelalterfest auf dem Château de Crèvecœur statt, dass wir uns nicht entgehen lassen wollen.

Familie vor dem Chateau de Crèvecoeur
Das Château de Crèvecoeur: Mittelalter im Familienurlaub © Familie Motte

Die kleine Wasserburg aus dem Mittelalter liegt malerisch zwischen Streuobstwiesen und Gemüsegärten und bietet einen interessanten Einblick in ein Stück Mittelaltergeschichte. Im Torhaus werden wir freundlich empfangen und die Kinder bekommen ein Suchspiel, das das Entdecken des Geländes noch spannender machen soll. Überall verstecken sich kleine Drachen, teilweise an kniffligen Orten, die gefunden werden müssen. Während die Kids also mit Feuereifer suchen, schlendern wir über das Gelände, schauen uns die mittelalterlichen Workshops an und bestaunen die kleine Kapelle.

Besonders toll finden wir auch die verschiedenen Mittelalterspiele, die zum Ausprobieren einladen. Steckenpferdparcours, Boule und Armbrustschießen zum Beispiel. Im Inneren der Bauernhäuser und des Herrenhauses lernen wir außerdem einiges über die mittelalterliche Geschichte der Gegend, lauschen einem kleinen Konzert mit alten Instrumenten und überlegen, wie schwer wohl eine Ritterrüstung ist, wenn man sie anzieht.

Tag 3: Köstlichkeiten aus der Region

Als wir an Tag drei unseres Urlaubs aus dem Fenster schauen, ziehen die Kinder ein langes Gesicht. Regen, Regen, Regen und kein Ende in Sicht! Gut, dass wir für heute einen Abstecher in die nahegelegene Käserei Graindorge geplant haben.
Da wir alle Käse lieben und es sowieso Zeit ist, unseren Kühlschrank fürs Abendbrot mit Käse zu füllen, machen wir uns auf nach Livarot. Der Besuch des Käsedorfs ist kostenlos und insbesondere für Familien mit Kindern ein spannendes Erlebnis.

Für den Rundgang braucht man ca. eine Stunde. Aber Ihr könnt selbstverständlich so lange bleiben wie ihr wollt. Die Produktionsstätten geben einen guten Einblick in die Käseherstellung, die Mitarbeiter winken uns sogar freundlich zu und die Kinder lernen viel über Produktion, Reifung, Forschung und Verpackung des Käses.. Die kleine interaktive Ausstellung am Ende des Rundgangs überprüft und vertieft das Wissen, dass wir auf dem Rundgang gesammelt haben.

Kinder vor dem Schaufenster der Käserei Graindorge
Käseproduktion im Familienurlaub: Graindorge © Familie Motte

Erst staunen, dann Probieren im Familienurlaub in der Normandie

Zum Abschluss des Besuchs darf eine Verkostung natürlich nicht fehlen. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: entweder man lässt sich vor Ort verschiedene Käseteller anrichten oder wählt aus der großen Kühltruhe die liebsten Sorten für zu Hause aus. Wir wurden von einer Mitarbeiterin richtig gut beraten, sie nahm sich Zeit uns die Reihenfolge in der wir die Sorten testen sollten zu erklären und packte uns ein richtig leckeres Paket für zu Hause.
Mit einer Flasche Cidre, getrockneten Tomaten, Oliven und knusprigem Baguette war das ein absolut köstliches Abendbrot…

Apropos Käse: gegen Abend hörte der Regen auf und wir beschlossen auf dem Ziegen-Bauernhof von Noemie vorbeizuschauen, der nur ein paar Kilometer von unserer Unterkunft entfernt lag. Jeden Abend um 17.30 Uhr werden dort die Ziegen gemolken. und jeder ist eingeladen dabei zuzuschauen. Womit wir nicht gerechnet hatten: wir dürften sogar selbst Hand anlegen und versuchen eine Ziege zu melken. Das war für uns alle DAS Highlight des Tages. Selbstverständlich wanderte am Ende auch noch ein frischer Ziegenkäse aus der hofeigenen Boutique in unsere Tasche. Hat sich ganz prima ergänzt mit dem Käse aus Graindorge.

Womit wir nicht gerechnet hatten: wir dürften sogar selbst Hand anlegen und versuchen eine Ziege zu melken. Das war für uns alle DAS Highlight des Tages.

Tag 4: Auf den Spuren der Vergangenheit an der Blumenküste

Nach einer weiteren Nacht mit Dauerregen blitzt am nächsten Tag tatsächlich endlich die Sonne durch die Wolken. Voller Zuversicht planen wir, den Tag an der Blumenküste zu verbringen. Nach 45 Minuten Fahrt erreichten wir das Seebad Trouville-sur-Mer und sind entzückt. Von den malerischen Gassen, die sich bis zum Strand schlängeln, den vielen kleinen Läden, in denen wir nach Schätzen stöbern und den gemütlichen Brasserien und Cafés, in denen uns der köstliche Duft von Crêpes und Moules Frites entgegenströmt.

Strandvillen in Trouville
Strandvillen in Trouville © Shutterstock

Nach einem ausgiebigen Bummel lassen wir uns am Strand nieder und genießen den Blick auf die Ärmelkanal-Wellen. Die Kinder haben einen kleinen Spielplatz entdeckt und toben, ein paar Fischer haben ihre Netze zum Trocknen ausgelegt, eine Möwe verschlingt gierig ein paar Fischreste. „Genau so habe ich mir das vorgestellt“ denke ich und schließe die Augen. Aber die Pause währt nicht lang, denn die Kinder wollen weiter und für den Nachmittag haben wir noch einen spannenden Programmpunkt auf unserer Liste.

„Genau so habe ich mir das vorgestellt“ denke ich und schließe die Augen.

Also verlassen wir Trouville und fahren weiter ins nahe gelegene Villers-sur-Mer. Dort schauen wir uns die alten Dinosaurierknochen im Musée Paléospace an, bevor wir uns am späten Nachmittag mit Sébastian vom Museum an den Falaises des Vaches Noires treffen. Die Falaises des Vaches Noires sind weltweit bekannt – hier gibt es nämlich besonders viele wertvolle Fossilien und Sébastian zeigt uns wo wir die am besten finden. Ganz nebenbei erzählt er, dass wirklich jedes Museum auf der Welt Fossilien von hier besitzt – er selbst hat sogar mal ein Dinofossil gefunden -ein Zeugnis dafür, wie besonders dieser Küstenabschnitt ist.

Die Mädels suchen mit großem Eifer und entdecken schnell ein paar außergewöhnlich schöne Stücke, darunter sogar einen Seeigel. Nach 1,5 Stunden stapfen wir mit zerzausten Haaren, den Taschen voller fossiler Schätze und sehr stolz zurück zum Auto.

Tag 5: Rouen & die Abtei Jumièges: moderne Geschichtsstunde

Obwohl die Geschäfte geschlossen haben, wollen wir am Nationalfeiertag die Hauptstadt der Normandie erkunden. Wie erwartet ist es am Feiertag angenehm leer als wir in Rouen eintreffen. Wir leihen uns in der Touristeninformation Audio-Guides aus und schauen uns zuerst die imposante Kathedrale an, bevor wir weiterschlendern zum „Historial Jeanne d’Arc“.

Geschichte im Familienurlaub mit dem Historial Jeanne d’Arc

Im ehemaligen erzbischöflichen Palast wird seit 2015 multimedial die Geschichte der französischen Nationalheldin erzählt. Rouen und das Schicksal Jeanne d´Arcs sind eng miteinander verbunden. Denn hier wurde die Jungfrau von Orléans 1431 zum Tode verurteilt und anschließend bei lebendigem Leibe auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
In unterhaltsamen 1,5 Stunden erfährt man, wo Johanna geboren wurde, warum sie in den Krieg zog und wie sie später von der Kirche als als Ketzerin zum Tode verurteilte wurde. Auch alle die kein Französisch sprechen, können der Geschichte folgen, denn Audioguides übersetzen ins Deutsche.

Bei uns hat das „Historial Jeanne d’Arc“ einen wirklich nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Wir hatten zeitweise das Gefühl, selbst Teil der damaligen Zeit zu sein, konnten plötzlich verstehen, warum Johanna bis heute so verehrt wird und haben wieder einmal gemerkt, wie spannend die Vergangenheit ist.

Nach dem Besuch des „Historial Jeanne d’Arc“ essen wir in der Brasserie Paul mit Blick auf die Kathedrale zu Mittag, bevor wir zur Abtei nach Jumièges aufbrechen. Ich gebe zu, so richtig groß waren unsere Erwartungen nicht. Aber oft überraschen einen dann genau diese Orte. So auch hier.

Für die Kinder haben wir das Gelände mit der App Jumièges-3D erlebbar gemacht. Die kostenfreie App könnt Ihr Euch einfach aufs Handy oder Tablet laden.

Die Abtei Jumièges war eine Abtei der Benediktiner und bis zu den Religionskriegen eines der größten Klöster in Frankreich. Heute sind nur noch Ruinen zu sehen – aber die allein sind absolut imposant und wunderschön.

Kind in der Abtei von Jumièges
Familienurlaub: Abtei von Jumièges © Familie Motte

Für die Kinder haben wir das Gelände mit der App Jumièges-3D erlebbar gemacht. Die kostenfreie App könnt Ihr Euch einfach aufs Handy oder Tablet laden. Wenn Ihr nun den Bildschirm auf eine der Ruinen haltet, könnt Ihr mit Hilfe eines Hebels das Bild so verändern, dass Ihr seht wie die Abtei an dieser Stelle ursprünglich aussah. Faszinierend!
Kleiner Tipp: Setzt auf dem Rückweg in Jumièges mit der Autofähre über die Seine über. Die Fahrt ist kostenlos und ein echtes Erlebnis!

Tag 6: Verliebt in einen Esel…

Die letzten Tage sind angebrochen und eigentlich sind da noch so viele Dinge die wir sehen wollen. Aber heute dürfen die Kinder entscheiden. Und die wollen auf den Bauernhof Domaine de Ouézy in Mézidon-Canon.

Auf dem riesigen Gelände gibt es zahlreiche Tiere, die darauf warten in den Gehegen besucht und gestreichelt zu werden. Gleich am Eingang verlieren wir unser Herz an den ein bzw. drei Wochen alten Esel-Nachwuchs. Oh mein Gott! Wie süß kann ein Mini-Esel bitte sein? Die Betreiber des Hofs lassen uns netterweise ins Gehege und ich denke kurz darüber nach ob es wohl auffällt, wenn das kleine Langohr nach unserem Besuch fehlt. Aber keine Chance – die Kinder wollen lieber ein Meerschweinchen. Auch die gibt es hier in großer Zahl, außerdem Kaninchen, Lamas, Schweine, Hühner, Gänse und, und, und…
Sogar im Baumhaus übernachten kann man auf dem Gelände. Ein Grund mehr nochmal wiederzukommen.

Mutter und Tochter beim Eselstreicheln
Lernbauernhof Domaine de Ouézy © Familie Motte

Crêpes, Calvados und Apfelsaft zur Stärkung

Nach ausgiebigem Tiere-streicheln meldet sich der Hunger. Da wir am Nachmittag eine Führung durch das Calvados Haus Pierre Huet geplant haben, fahren wir zur Crêperie in den Jardins du Pays d´Auge. Im Außenbereich der Crêperie sitzt man wie in einem verwunschenen Garten, das Essen ist köstlich und die umliegenden Gärten eignen sich prima für den anschließenden Verdauungsspaziergang.

Fehlt nur noch der Schnaps :). Der erwartet uns schließlich ein paar Schritte weiter im Calvados Haus Pierre Huet. Das Familienunternehmen Pierre Huet gibt es bereits seit 1859 und es ist bekannt für hervorragenden Calvados. Auf dem Rundgang erfahren wir wie Calvados, Cidre und Apfelsaft produziert werden, wie lange die guten Tropfen in den riesigen Fässern lagern müssen und wie eine Destillation eigentlich abläuft. Und das Beste: Probieren ist unbedingt erwünscht! Einstimmiges Urteil der Kinder: „der beste Apfelsaft den wir je getrunken haben“. Wie viele Flaschen Cidre in unseren Kofferraum gewandert sind bleibt unser Geheimnis :).

Kinder auf dem Weg zur Crêperie des Jardins du Pays d'Auge
Crêperie Jardins du Pays d’Auge © Familie Motte

„Mama, ab jetzt fahren wir jeden Sommer nach Frankreich“

Tag 7: Malerisches Honfleur

Es ist so weit, wir müssen die Koffer packen. Schweren Herzens wuseln wir durchs Haus, suchen Sachen zusammen und räumen auf. Ein letzter Nachmittag und Abend aber bleibt uns noch. Und den wollen wir genießen. Wer weiß, wann wir das nächste Mal wiederkommen können.
Gegen späten Vormittag fahren wir nach Honfleur, essen in einer kleinen Brasserie, schlendern durch den malerischen Hafen und drehen eine Runde auf dem historischen Karussell, bevor wir den Rest des Tages am Strand chillen.

Ein Highlight am letzten Abend

Am Abend brezeln wir uns noch mal auf, denn zum Abschied dürfen wir ein letztes Mal ausgiebig die Französische Küche genießen. Als wir im Restaurant „Ferme du Roy“ in Lisieux ankommen, werden wir herzlich begrüßt und nehmen im weitläufigen Garten Platz. Der Koch kredenzt uns ein Überraschungs-3-Gänge-Menü deluxe. Jeder von uns erhält ein anderes Gericht, eins ist exquisiter als das andere. Wir reichen die Teller herum und essen so viel, dass wir anschließend das Gefühl haben, wir könnten nie wieder etwas essen.
Beim Dessert lassen wir gemeinsam die Woche Revue passieren, überlegen, was uns am besten gefallen hat und schmieden Pläne fürs nächste Mal. Denn eins fordern die Kinder vehement ein: „Mama, ab jetzt fahren wir jeden Sommer nach Frankreich“.